Episode 1 - Anfänge schreiben
Was ist ein guter Anfang für ein Buch?
Webseiten der Sprecher
Genannte Bücher
- Die Verwandlung (Franz Kafka)
- Das Labyrinth der Wörter (Marie-Sabine Roger)
- Das Parfum (Patrik Süskind)
- Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe (Max Scharnigg)
- Der Butt (Günter Grass)
- Der Pfau (Isabel Bogdan)
- Mittsommermord (Henning Mankell)
- Tintenherz (Cornelia Funke)
- Das Land der letzten Dinge (Paul Auster)
Feedback zu dieser Episode
- Name:
- Stefan
- Datum:
- Freitag, 23.08.2024 um 18.39:13 Uhr
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- Hi,
ich habe da eine Frage: kann es sein, dass viele erfolgreiche Autoren es sich herausnehmen, von den Normen abzuweichen. Kann z.B. ein Stephen King es sich leisten, einen Anfang mehr oder minder "langweilig" zu gestallten, weil er einfach sagt, dass das seine Geschichte einfach brauche. Ich lese im Moment "Fairy Tale" und im Moment bin ich bei Seite 150 (Hard Cover Ausgabe) und es passiert einfach nichts Spannendes. Es ist ein Ich-Erzähler und wir erfahren von ihm alles, quasi von der Geburt weg, und bis jetzt haben wir weder die Handlung, die ich mir erwarten würde, noch einen in Erscheinung getretenen Antagonisten. Ich wage zu behaupten, wäre das sein erster, eingereichter Roman gewesen, er wäre nicht genommen worden. Er ist sprachlich gut und auch von den Handlungsabläufen gut durchdacht und man kann sich in das Leben des erzählenden Teenagers einleben, aber es passiert ... einfach ... NICHTS!
Ich habe ein bisschen Wolfang im Ohr, wie er Jungautoren zitiert die sagen "Ja, am Anfang ist es ein bisschen langweilig, aber später wird es dann besser." Kann jemand wie ein King (oder ein Fitzek) sich das irgendwann leisten? Werden seine Bücher auf jeden Fall verkauft und selbst wenn eines mal nicht so läuft, denkt sich der Verlag oder der Agent "Sei's drum!"? Das ist kein Neid, der aus mir spricht und als studierter Betriebswirt kann ich mir durchaus vorstellen, dass ein:e erfolgreiche Autor:in sich mehr erlauben darf, weil die Bücher auf jeden Fall gekauft werden würden, aber manchmal enttäuschen mich die großen Namen damit ein bisschen (und ich bin ein großer King-Fan).
Was ist eure Meinung dazu?
Liebe Grüße
Stefan
- Name:
- Stefan
- Datum:
- Freitag, 16.08.2024 um 10.07:53 Uhr
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- Hi,
mein persönlicher Lieblingsanfang: Stephen King, Der dunkle Turm (The Dark Tower – The Gunslinger) aus dem englischen von Joachim Körber.
"Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm." - "The man in black fled across the desert, and the gunslinger followed."
Sowohl im englischen Original als auch auf Deutsch ist es ein sehr starker erster Satz. Wir sehen sofort Protagonist und Antagonist vor uns und wir wissen, wer die beiden sind. Dann haben wir die Wüste, bei der wir auch sofort ein Bild im Kopf haben. Und das 'Fliehen' sowie das 'Folgen' erzeugt bei uns Spannung und Bilder. Als Leser:innen malen wir uns aus, was davor passiert sein könnte; wie es dazu kam, dass der Mann in Schwarz fliehen musste und warum der Revolvermann ihm folgen muss. (Ich denke, wenn die Leser sich eigenständig ausmalen, was die Figuren davor gemacht haben könnten - oder zwischen den Kapitel machen würden - dann haben wir, die Schreibenden, schon ein bisschen gewonnen.)
Im Englischen ist 'Gunslinger' ein Begriff, der mit Revolvermann nicht ganz so gut übersetzt ist. Nicht, weil der Übersetzer nicht gut war, sondern weil wir im Deutschen keinen besseren Ausdruck dafür haben. Revolvermann (oder Revolverheld, wie es manche Übersetzungsmaschinen auswerfen) beschreibt nicht ganz, was die Hauptperson in dieser Romanreihe ist. Dennoch, meiner Meinung eine der besten Anfänge der Belletristik (gleichauf mit Samsas Erwachen zu einem ungeheuerlichen Ungeziefer).
Liebe Grüße
Stefan
- Name:
- anneanne
- Datum:
- Montag, 18.07.2022 um 11.59:26 Uhr
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- Hier noch zwei Anfänge, die so verschieden sind (hier Beschreibung, da Handlung), und trotzdem bauen beide durch nur ein Wort bzw. zwei Wörter einen Sog zum Weiterlesen auf - finde ich zumindest.
»Im Grunde war er ein dem Alkohol verfallener Studienrat in den Fünfzigern mit einer Frau, die ziemlich zugenommen hatte und mit der er jeden Morgen frühstückte.«
Dag Solstad "Scham und Würde" (aus dem Norwegischen übersetzt von Ina Kronenberger)
»Bevor der Gast aus Moskau meine Schwester Klawdija vergewaltigte, aß er sich bei uns erst einmal richtig satt.«
Maxim Biller, "Polanski, Polanski" in "Sieben Versuche zu lieben - Familiengeschichten"
Danke für Eure immer wieder angenehm zu hörenden Podcast-Episoden.
- Name:
- Julia Osbahr
- Datum:
- Dienstag, 10.05.2022 um 20.43:56 Uhr
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- Hier zwei tolle Anfänge von Benedict Wells:
"Wenn man sein Imperium auf einer Lüge aufgebaut hat, lautet das oberste Gesetz: Vergiss die Lüge."
(aus: "Das Franchise oder: Die Wahrheit über das Lügen")
"Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich."
(aus: "Vom Ende der Einsamkeit")
- Name:
- Frank pohl
- Datum:
- Freitag, 01.04.2022 um 19.03:07 Uhr
- Feedback:
- Eure Hoffnung auf einen guten Anfang hat nicht getrogen. Graturliere!
Freundliche Stimmen und nachdenklich stimmende Hinweise. Ich bleibe am Ball.
Nur eines möchte ich anmerken; die Mischung der Stimmen ist etwas weniger gut. Dianas ist jedenfalls im Verhältnis zu der von Wolfgang zu weit vorne. Hinzu kommt, dass sie ohnehin ein sehr hell klingendes Organ hat.
Wenn ich also den Podcast auf eine angenehme Lautstärke einstelle, höre ich Wolfgang schlecht. erhöhe ich die Gesamtlaustärke platzt mir bei Dianas Lachen, höre ich eigentlich ganz gerne, beinahe das Trommelfell.
Mal hören, wie die anderen Folgen sind...
LG
- Name:
- Drahomira Lukacovic
- Datum:
- Donnerstag, 24.02.2022 um 02.14:43 Uhr
- Feedback:
- Mit dem Anfang anfangen war logisch. Der Anfang mit dem "Pfau" gefiel mir besonders. Ich fand vor allem den Tipp super, die ersten 2 oder 3 Seiten des Anfangs zu killen, hilfreich. Tut zwar weh, abzuspecken, aber wenn's dadurch spannender wird, warum nicht. Dank PC ist es einfach, Kapitel umzustellen - auch die Anfänge. Den ursprünglichen Anfang meines historischen Romans habe ich bestimmt 20 Mal umgestellt; die ersten Versionen waren eine Art Lebenslauf, was wirklich nicht interessant ist für den Leser. Dann versuchte ich es gleich mit Action - irgendwie besser, und doch nicht gut genug. Schliesslich liess ich es offen, schrieb einfach die Hauptstory. Das Ende wiederum liess sich ziemlich lange Zeit. Als ich es plötzlich im Kasten hatte, fiel mir auch der Anfang ein. So einfach - oder schwer - kann's angehen. Der Leser erspürt durch meinen Anfang und Ende - obwohl verbandelt und einer eckigen Klammer ähnlich - die Hauptperson am Rande, weil ihre Kinder dort die Hauptrolle übernehmen. Der Leser lernt hier die Hauptperson als Statistin kennen. Einzig Kriegsutensilien (Säbel an der Wand) suggerieren die Story. Aber ob das als Appetizer (Anfang) genügt? Und im Anfang wimmelt es von direkter Rede, keine blosse Einführung oder Zusammenfassung, sondern lebendig im Ist, wobei die Handlung ja 30 Jahre früher spielt.
Die Anfänge ähneln wahrscheinlich dem Charakter des Autors. Wenn ich z.B. Mika Waltaris "Sinuhe, der Ägypter" nehme, dann widerspricht der Anfang dem, was Ihr gesagt habt: Lebenslauf. Die überarbeitete Fassung von 2014 wirkte auf mich (als Leserin) so, als ob ich die Moses-Geschichte der Bibel lesen würde: Statt Moses nur immer "Ich Sinuhe, Sohn des und der", und zwar alle 3 oder 4 Absätze wiederholend. Der einzige Unterschied zu Moses vielleicht: Sinuhe in Ich-Form ist am Ende seines Lebens und daher dessen nicht mehr froh und rollt so dieses wieder auf. Ich glaube, diese Parabel zu Moses zog damals den Leser mit, zumindest als Buch in den 1940ern erschien; die heutige Generation kaum. MIr kam's vor wie ein Mix zwischen Bibel und Moderne, also ein moderner Moses-Verschnitt.
Meine früheren Manuskripte fingen alle mit "mein erster Ferientag", weil ich das eben in den Ferien schrieb. Kein origineller Anfang, aber zumindest Raum für Fantasie.
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